IZL - Illustrirte Zeitung Leipzig

23/3/2022
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Christof Doboczky

Eine Zeitschrift wie eine Gemäldegallerie!

Bilder - große, farbige, hochwertige Bilder. Das fasziniert uns. Schatzjäger gehen auf die Suche nach solchen Leckerbissen. Wo werden sie fündig? Ein Eldorado für Liebhaber hochwertiger Grafik und Werbung ist die Illustrirte Zeitung Leipzig - oder kurz - Leipziger Illustrirte - oder noch kürzer "IZL". Ja, ohne IE, nur I. So schrieb man 1843 "Illustrierte", als sie gegründet wurde. Die erste, deutschsprachige Illustrierte Zeitung - mit damals revolutionär vielen Bildern. Sie war DAS Leitmedium bis zum Ende des Ersten Weltkrieges für das Bildungsbürgertum. Herausgegeben von einem Kunstverlag Weber in Leipzig stand sie für Qualität auf vielen Ebenen - Journalismus, Drucktechnik und Bildauswahl.

Sagenhaft großes Format - beinahe A3. Farbige Titelbilder auf schwerem Kunstdruckpapier. Und was für Bilder. Zum Niederknien. Die Grafiken von Knabe und Kranke aus den 20ern - das ist Gebrauchskunst auf höchstem Niveau!

Höhepunkte dieser Zeitschrift sind absolut die Sonderausgaben, die vor dem Ersten Weltkrieg erschienen sind. Themen solcher Sonderausgaben, die beinahe 200 Seiten umfassten, waren Länderportraits (Schweiz, Österreich-Ungarn, Bayern etc.) oder Jubiläen und natürlich Weihnachten. Sammler jubilieren über die Qualität der Grafiken und die satten Farben der Kunstdrucke. Gesuchte Diamanten sind die Werbungen - z.B. Suchard oder auch die Werbungen für Fliegerfirmen aus dem ersten Weltkrieg. Breathtaking!

Magazin Titelseite Illustrirte Zeitung Leipzig 1944 - Europa auf Stier
Magazin Titelseite Illustrirte Zeitung Leipzig
Magazin Titelseite Illustrirte Zeitung Leipzig - Die deutsche Wehrmacht

Danach ging es bergab. Rapide. Die Jahrgänge 1919 bis 1926 faszinieren noch durch die Themenwahl und die Titelgrafiken - vor allem der Übergang von Kaiserreich zur Republik ist emotional nicht besser darzustellen als durch diese Grafiken. Oder die Sondernummer "Kinderspielzeug" aus Anfang der 20er Jahre! Highlights!Mit der Inflation und der gesellschaftlichen Umbrüchen kam der IZL die Leserschaft abhanden. Wohl situiertes Bildungsbürgertum gab es kaum mehr. Der gebildete Leser wendete sich wohlfeileren Blättern zu  - wo die Themen der Zeit auch emotionaler präsentiert wurden - und nicht mit dem nüchternen Understatement eines Geistes, der mit dem Kaiserreich untergegangen war. Aber der Verlag war zäh und hielt durch - die Fa. Weber pflegte die Zeitschrift immer mehr als Hobby. Von einer Auflage von mehreren 100.000 war man bei unter 20.000 angekommen. Irgendwann wäre sie langsam verblutet - wenn das III Reich nicht gekommen wäre. Das führte noch zu einigen zeitschriftlichen Höhepunkten der Extraklasse.

Man konnte sich in den 30er Jahren schöne Grafiken des Zeitgeister in der IZL erwarten - aber dann - vollkommen unerwarteter Paukenschlag im Herbst 1936: Sonderausgabe "Unsere Wehrmacht". Auf über 362 Seiten präsentierte sich die gesamte Rüstungsindustrie mit beeindruckenden, ganzseitigen Inseraten. Eine solche voluminöse und luxuriöse Ausgabe hat es im III Reich vorher und nachher nicht gegeben. Mercedes, Junkers, Messerschmidt, Deutsche Bahn, Krupp und all die anderen breiteten sich auf Ganz- und Doppelseiten und in Farbe aus - man sah, dass die Rüstung ein einträgliches Geschäft sein musste. Aber auf "Dr. Dralle Birkenhaarwasser" oder "Kaloderma" und natürlich "4711 Echt Kölnisch Wasser" - auch die Konsumgüterindustrie fuhr schwere Geschütze auf und zeigte, dass die Wirtschaft damals brummte. Diese Ausgabe ist ein sehr gesuchtes Sammlerstück - es werden bis zu € 500,- geboten. "Der Vierjahresplan" des Reichsfeldmarschalles unter dem Herausgeber Gritzner nahm sich diese Ausgabe 1938 und 1940 als Vorbild für seine 3-fach Nummern - und beeindruckte ebenfalls - aber nie in diesem Ausmaß.

Es folgten Sonderausgaben 1938 wie "Münchner Abkommen" bzw. "Das Rheinland" genauso wie "Unsere Luftwaffe" von 1940. Und vor allem die Weihnachtsausgaben 1940-1943 sind absolute bildliche Leckerbissen der Sammlerszene. Aufwändig, üppig und voluminös - sowohl in der Bildauswahl als auch bei den Werbungen. Hier wehte der Geist, den die IZL vor dem 1. WK gepflegt hatte.

Doch er Niedergang war nicht zu stoppen. Wie auch? Gab es doch bildgewaltige Konkurrenzprodukte - vom Regime gesponsert - für 20 Pf. pro Ausgabe. Warum eine Mark mehr bezahlen? Und den Anschluss an die Themen und Ausdrucksweise der gebildeten Schichten hatte man verpasst. Da gab es Medien wie "Die neue Linie", welche diese Leserschaft bestens bediente - und die Werbekunden folgten diesen neueren Medien. Die Ausgaben der IZL wurden noch dünner, statt farbiger Titelblätter gab es ab 1939 nur noch (durchaus bemerkenswerte) kleine Holzschnitte. Ab 1940 nur noch alle 14 Tage - ab 1943 monatlich mit mageren 28 Seiten.

Das letzte - und sehr beeindruckende - Zucken gab es interessanterweise nach der Todesanzeige im September 1944. "Die im Zuge des totalen Kriegseinsatzes notwendig gewordenen Konzentration der Kräfte..." blabla bla - so wurde die "vorübergehende" Einstellung der Zeitschrift kundgetan. Das war das Schicksal der meisten Illustrieren - die wenigen reich bebilderten Medien, die es noch gab, hatten noch max. 16 Seiten in düsterer, schwarzweißer Bildsprache (Ausnahme: Signal!). Und dann "BAAMMM"! Dezember 1944. Weihnachtssonderausgabe! Beinahe 300 Seiten - und wieder schien jemand von der Verlagsleitung seine ausgezeichneten Kontakte ins Propagandaministerium aktiviert zu haben. BMW, Auto Union, Rüstungskonzerne und viele andere - warben ganzseitig und in Farbe für Produkte, die man gar nicht kaufen konnte!?! Hier wollte Göbbels propagandaseitig nochmals zeigen, daß das III Reich noch lange nicht am Ende war. Das macht diese - wirklich letzte - Ausgabe der IZL zu einer kulturhistorischen Rarität. Danach war aber endgültig Schluß. Nicht nur für das II Reich - auf für die IZL! Im letzteren Fall - sehr schade!

Magazin Titelseite Illustrirte Zeitung Leipzig - Die deutsche Luftwaffe
Magazin Titelseite Illustrirte Zeitung Leipzig - die deutsche Luftwaffe, 2
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